Freitag, 13. April 2012

Meine Morgendlandreise nach Nepal - Teil 3

Auf dem Weg zur Swayambhunath-Stupa
Trotz aller Fremdheit und Unwirklichkeit fühlten wir uns eigentümlich geborgen in diesem bunten Moloch. Die Stadt fühlt sich an wie eine Mutter und die Menschen darin wie Geschwister. Überall freundliches Lächeln in unsere fremden Gesichter. "Namaste!"
Vertrauensvoll wie zwei Kinder tappten wir los um die Stadt weiter zu erkunden. Unser Ziel: die große Swayambhunath-Stupa.
Den Stadtplan irgendwann nur noch im Kreis drehend, fanden wir es dann einfacher, nach dem Weg zu Fragen. Obwohl das Englisch mit Nepaldialekt nicht einfach zu verstehen ist, erkannten wir bald in der Ferne auf einem Hügel die Augen der Swayambhunath-Stupa. Nun war die Orientierung einfacher.
Dann eine Brücke.
Unter uns floss zäh ein schwarzer, dünner, übelriechender Fluss durch ein breites Flussbett voller Plastikmüll und anderem Unrat.
Erschüttert betrachteten wir auf der Brücke stehend den Ausblick. In dem Unrat, am Rande des Flussbettes, standen dichtgedrängt elendige Hütten im Uferschlamm, bzw. Ufermüll.
Kinder spielten darin, Frauen wuschen Gemüse in dem schwarzen, stinkenden Wasser.
Nicht weit davon ein toter, halb verwester Hund im Müll. Über dem Flussbett kreisten vier Aasgeier, die einzigen, die hier satt sind.
Irgendwann muss man sich selbst sagen: das ist hier normal so - oder man steigt ins Flugzeug und verlässt diesen Ort.
Wer hier hineingeboren wird, stellt sich nicht die Frage "warum" oder "wie komme ich hier weg", denn er ist viel zu sehr damit beschäftigt, die nächste Mahlzeit zu finden. Von der Hand in den Mund...

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, aber viele dieser armen Menschen singen und lachen. Und sie beten und opfern, sie sind tief in Ihrer Religion verwurzelt und darin geborgen. Sie nehmen einfach ihr Schicksal, ihr Karma an.

Wir gehen weiter, durch Gassen, den entrückten Augen des Bodhisattvas entgegen.
Zur Stupa, über 30 Meter hoch, führen Stufen, viele Stufen. Auf jeder fünften Stufe wieder Bettler, Saddhus, hungrige Kinder, Alte,... Zum Glück viele "Small pieces" für jeden und eine respektvolle Verneigung.
Wir reihen uns im Uhrzeigersinn in den Pilgerstrom ein, der oben um die Augen des Buddhas herum führt. Es ist eine feierliche Stimmung. Jeder für sich. Und in sich. Leises Gebete-Gemurmel. Das Schaben der Gebetsmühlen. Alle sind willkommen, Fremde gehören dazu, jeder als Individuum, für sich allein und doch zusammen. Es ist ein bisschen wie "Einfließen ins Meer des Seins".  Ich zähle nicht die Runden, ich bin...

Mit einem tiefen Gefühl der Zugehörigkeit treten wir den Rückweg an.  "Namaste" klingt uns ab und zu entgegen, verbunden mit einem offenen, freundlichen Blick und zusammengelegten Handflächen vor dem Herzen. Wir grüßen ebenso zurück, oder grüßen ebenso jemanden, den wir nicht kennen, der uns aber anschaut, zuerst.
Ist das unsere Welt? Oder doch ein anderer Planet?
Und überall, einfach ÜBERALL: Geruch nach Räucherstäbchen, Kloake und Gewürzen, doch vor allem Räucherstäbchen.
Mini-Stupas an jeder Straßenecke mit Opfergaben: Reiskörner, Blütenblätter, Räucherstäbchen, rote Farbe. Die gleichen Opfergaben auch auf Haustreppen und Mauern.

Kinder sitzen auf Haustreppen, zeigen lachend auf uns und suchen dann weiter im Haar des anderen nach Läusen.
Das ist hier so, sagten wir uns und nahmen es an, ohne weiter zu hinterfragen. Wozu auch, hätte sich dadurch etwas geändert? Soll sich überhaupt etwas ändern???
Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine Läuse ...


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